Percha

Geschichte des Ortes: aus den Chroniken der Familie Gantner zusammengestellt von Johann Brabetz

Um die Entstehungsgeschichte unseres Heimatortes Percha genau zu betrachten, ist es notwendig, sehr weit auszuholen in die Urzeiten unserer Väter. Ganz ohne Zweifel zählt Percha zu einer der ältesten Siedlungen unseres Starnberger See-Gebietes.

In unserer Heimat treffen wir zu dieser Zeit die Urkelten als Ansiedler, die fast nur in Pfahlbauten auf Inseln lebten. Kurz vor Beginn der Eisenzeit, so um das Jahr 800 vor Christus, trat für die Pfahlbauer ein Ereignis ein, das ihr bisheriges Leben völlig aus dem Gleichgewicht brachte. Ein starker Klimawechsel verursachte in den Alpen eine riesige Gletscherschmelze. Infolge der Wassermassen, stieg der Seespiegel zirka um 8 bis 10 Meter an. Dadurch erfolgte eine große Ausweitung der Seefläche, bei uns im Norden bis zum Moränenwall bei Leutstetten und in die Richtung Manthal. Dadurch mussten die Pfahlbauern ihre Hütten verlassen und auf die Höhenzüge am Uferbereich umsiedeln.

Es gilt als sicher, dass in unserem Ortsbereich die erste menschliche Niederlassung auf dem Moränenhügel war, auf dem der Selchahof stand. Erst nach dem sich der Seespiegel um zirka 500 vor Christus wieder auf den normalen Stand gesenkt hatte, konnten die beiden Achen (Lüssbach und Würm) wieder entstehen. Erst jetzt entstand der Name Perchach, denn die Zusammensetzung der beiden keltischen Silben Perch und Ach, gleich bedeutend mit Berg und Bach, war zu diesem Zeitpunkt möglich. Außerdem bürgt der Name Perchach, mit seiner urkeltischen Silbenzusammensetzung für seine Gründung vor Christi Geburt.

Urkundlich erscheint nun der Ortsname Perchach das erstemal im Jahre 785 nach Christus, und zwar schenkt ein Mann mit dem keltischen Namen Baganza die Kirche des hl. Valentin und das ganze Dorf Perchach, das ihm bis dahin gehörte, dem Kloster Schäftlarn.

Nachfolgender Wortlaut der Urkunde ins Deutsche übersetzt:

„Im Namen des Herrn und Gottes unseres Heilandes Jesu Christi Amen.
Zur Regierungszeit des hochberühmten Herzogs Tassilo im 38ten seines Herzogtums. Mit Zustimmung und Erlaubnis dieses Fürsten habe ich, Baganza, übergeben und bestätigt alles
was ich besaß in dem Perchach genannten Ort, Häuser, Hütten, Leibeigene, Knechte und Mägde, oder abgabenpflichtige Ländereien, Wiesen, Felder und Wälder, Wasserläufe, bewegliche und unbewegliche Habe, bebautes und unbebautes Land, alles ganz und gar übergeben an die Kirche des hl Valentin. Und diese Kirche und alles was zu ihr gehörte übergab ich an das Kloster des Dionys, das erbaut ist in der Nähe des sogenannten Isarflusses, damit all das dorthin fest und beständig für alle Zeit gehörig.“

Ob dieser Mann in Percha ansässig war, kann nicht bewiesen werden, es ist aber anzunehmen. Zumindest gehörte ihm die Valentinskirche, und adelige Eigenkirchen wie es die Perchaer Kirche war, entstanden meist in der Nähe der herrschaftlichen Sedelhöfe. Dies alles geschah zu seinem Seelenheil sowie zu dem

seiner Familie. Über Baganza selbst lässt sich nur sagen, dass sein Name keltischen Ursprungs ist und dass er als Besitzer einer Eigenkirche wohl dem gehobenen Ortsadel unserer Gegend angehörte.

Seit dieser Zeit war Percha nun über tausend Jahre mit dem Kloster Schäftlarn verbunden.

Percha wurde zur "vischwayd" des Klosters und die verkehrsgünstige Lage am Nordende des Sees trug dazu bei, dass sich aus kleinen Anfängen ein Dorf entwickeln konnte.

Während der Ungarneinfälle im 10ten Jahrhundert blieb Percha nicht verschont, wie aus einem Verzeichnis über den Verlust von Höfen und Besitzungen des Klosters hervorgeht.

Auch das Kloster Schäftlarn fiel diesen Kriegen zum Opfer. Erst im Jahre 1140 gründete Bischof Otto I. in weiser Voraussicht das Kloster wieder. Der tiefere Sinn und die Notwendigkeit der Wiedergründung des Stiftes lag in dieser Zeit in der Grenzziehung der Bistümer im Jahre 1158. Nachdem Percha im Besitz von Kloster Schäftlarn war, musste es in diesem Sinne ein Bollwerk gegen das Vordringen des Bistums Augsburg, über die Würm und das Ostufer des Sees, bilden, was auch gelungen ist. Percha ist bis heute noch Grenze zwischen dem Bistum München-Freising und Augsburg.

Im Jahre 1172 wurde vom Freisinger Bischof Adalbert I. die Kirche in Percha neu geweiht. Sein persönliches Erscheinen demonstrierte somit, wohl auch als Seitenblick nach Augsburg, seine Präsenz in diesem Gebiet und sein Interesse an der Kirche.

In den nächsten Jahren wurden mehrere Besitztümer an das Kloster übergeben (1181 Buchhof, 1200 Heimatshausen, 1286 Selchahof).

Die Bewohner von Percha waren gegenüber dem Kloster zinspflichtig, was sich aus vielen Belegen beweisen lässt.

Im 30jährigen Krieg waren die Schweden in Percha. Beim Einmarsch wurden 3 Höfe gebrandmarkt.
Es mussten an die Schweden 20 Pferde, 15 Stück Vieh und 50 Schäffel Getreide abgeliefert werden. Das war für die damaligen Bauern ein ungeheures Verlangen, denn Percha zählte zu der Zeit kaum 70 Einwohner.

Es folgten nun die schrecklichen Hungersjahre 1633/1634. In Percha fielen durch die im August 1634 auftretende Pestepidemie 48 Einwohner der schrecklichen Krankheit zum Opfer, nur 16 Personen überlebten in Percha.

 

Im Jahre 1752 wurde in den Gerichtsakten vom Landgericht Starnberg für Percha ohne Buchhof, Selcha und Heimatshausen 18 Anwesen aufgeführt. Diese bestanden aus fünf Anwesen je 1/4, drei je 1/8 und zehn Anwesen je 1/16 Hof. Die Größe eines Viertel Hofes war zwischen 30 und 40 Tagwerk (drei Tagwerk ist ein Hektar).

Im Jahre 1789 brach ein Großfeuer aus (Gagleranwesen), das die gesamte Hofgruppe bei der Kirche in Schutt und Asche legte. All diese Häuser wurden wieder aufgebaut.

Durch die Säkularisation im März 1803 wurde auch das Kloster Schäftlarn auf- gehoben und der Besitz vom Staat eingezogen. Percha wurde nun selbstständig und durch die Regelung des Gemeindewesens ab 1808 ein eigener Steuerdistrikt und nur mehr in kirchlicher Beziehung der Pfarrei Schäftlarn zugehörig. Das Landgericht Starnberg wurde in 19 Steuerdistrikte eingeteilt, von denen Percha der Distrikt 12 war mit den Orten und Weilern Wangen, Leutstetten mit der ehemaligen Hofmark, Buchhof, Selcha, Heimatshausen und Mühltal. Um diese Zeit erfolgte die laufende Nummerierung der Anwesen.

In den nächsten Jahren wurde infolge der immer freier werdenden Verfügungsrechte der Bauern über ihren Besitz viele Höfe zum Verkauf angeboten, da sich diese ver- spekuliert hatten. Im Jahre 1865 wurde eine Sägemühle am Lüssbach errichtet. In der Zeit von 1872 bis 1879 wurde der erste Kramerladen im „Weber-Gütl“ betrieben.

Am 1. Februar 1874 wird der Schützenverein Percha in der Gaststätte am Buchhof gegründet. 1888 wurde an der Würm die Bootwerft Rambeck erbaut. Zum Dank für die Pflege eines Verwandten überließ eine Münchnerin ihre beiden Landhäuser im Jahre 1895 der Ursberger Pflegeanstalt Dominikus Ringeisen. In der Zeit bis 1899 wurden von der Stiftung vier weitere Häuser dazu erworben; ab dieser Zeit wurde auch eine Landwirtschaft im Kloster betrieben. Diese Anwesen waren der Grund- stock für die St. Josefs-Congregation in Percha.

Das Bauvorhaben im Jahre 1898 am Ostufer des Sees eine Lokalbahn bis nach Seeshaupt zu errichten, wurde glücklicherweise nicht durchgeführt. Die Trasse sollte durch das Lüssbachtal über Harkirchen nach Münsing führen und hätte eine wunderschöne Naturlandschaft zerstört.

Ab 1900 wurde im „Weber-Gütl“ die erste Poststelle in Percha errichtet und von den Ursberger Schwestern geführt.

Mit dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts kam für Percha, wenn auch nur langsam, eine Veränderung, der bis dahin fast nur bäuerlichen Struktur des Ortes. Die auf den einzelnen Höfen ruhenden Fischerrechte wurden schon mehrere Jahr- zehnte fast nicht mehr genutzt, so dass die Fischerei völlig erlag und nur noch die Landwirtschaft der Bevölkerung den Lebensunterhalt sicherte.

Um diese Zeit zählte Percha mit Buchhof, Selcha und Heimatshausen zirka 415 Einwohner. Die neu entstandenen Häuser brachten den Zuzug zum Teil aus dem Bereich der Arbeiterschaft, während aber auch in Villen Intellektuelle und Künstler aus der nahen Stadt München kommend, sich ansässig machten.

Es entstanden neue Handwerksbetriebe. Die St. Josefs-Congregation kauft die alte Sägmühle am Lüssbach und baut sie in eine Getreidemühle um. In der Klostermühle wurde im Zuge der Errichtung einer eigenen Wasserversorgungsanlage ein Pumpwerk für das St. Josefsheim installiert. Die seit 1901 bestehende örtliche Wasserversorgung von Percha wurde aufgelassen und vom Kloster übernommen.

Nach über 30 Jahren als Pflichtfeuerwehr wird die Freiwillige Feuerwehr Percha am 18 Juli 1903 gegründet. Dieser Aufwärtsentwicklung wurde durch den ersten Weltkrieg im August 1914
ein jähes Ende gemacht. Der weitaus größte Teil der Männer wurde bereits in den ersten Tagen zu den Fahnen gerufen. Mit einer Begeisterung ohnegleichen hatten die Männer unter der Parole „Viel Feind, viel Ehr“ ihrer Einberufung Folge geleistet. um das Vaterland zu verteidigen. Leider konnten neun Perchaer Wehr- pflichtige nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren, sie waren Opfer dieses Krieges geworden.

Die neue Staatsform brachte durch Verordnungen und Gesetze auch im gemeindepolitischen Bereich wesentliche Änderungen.
So waren seit der Gründung der Gemeinde Percha-Wangen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nur Bürger mit Bürger- recht wahlberechtigt. Das Bürgerrecht war käuflich und musste erworben werden. Aus diesem Grund hatte Percha immer zu wenig Wahlberechtigte, so dass der Sitz des Bürgermeisters von jeher in Wangen war. Durch die Aufhebung der Bürgerrechts-Verordnung 1919 und die damit verbundene Einführung des allgemeinen Wahl- und Frauenstimmrechts, war es nun erst möglich, dass ein Perchaer Bürgermeister gewählt wurde. Die Wahl fiel auf Herrn Max Jung, einen äußerst tüchtigen, korrekten und aktiven Mann, der in den folgenden Jahren sehr zur Aufwärtsentwicklung des Ortes beitrug. Während seiner Amtszeit erbaute die Gemeinde ein eigenes Feuerhaus und einen Gemeindefriedhof mit Leichenhaus.

Im Klostergebäude St. Josef entstand ein Hirnverletztenheim mit 20 Betten. Das Hauptgebäude des Klosters wurde 1934 neu erbaut und im gleichen Gebäudekomplex eine Kirche errichtet, die am 3. Dezember 1935 vom Erzbischof von München und Freising Kardinal Faulhaber geweiht werden konnte.

Fast ausschließlich durch Arbeitsleistungen der Einwohnerschaft entstand im Jahre 1935 ein Gemeinschaftshaus aus Holz und diente als Versammlungs- und Veranstaltungsraum der Bevölkerung. Dieses Haus diente nach dem zweiten Weltkrieg als Schule und Gemeindehaus.

Eine wesentliche verkehrstechnische Änderung war der Bau der Olympiastraße als Umgehungsstraße mit einer neuen Würmbrücke im Jahre 1935. Dadurch wurde der gesamte Durchgangsverkehr auf die Nordseite des Dorfes verlagert.

Im Jahre 1936 wurde Percha der Pfarrei Aufkirchen einverleibt, nachdem über Jahrhunderte mit dem Kloster Schäftlarn eine Verbindung bestand.

Die ersten Septembertage 1939 brachten neuerdings eine schwere Belastung für die Einwohnerschaft. Wieder wurden die wehrfähigen Männer an die Fronten des zweiten Weltkrieges geschickt, von denen 11 Männer in ihre Heimat nicht mehr zurückkehrten.

Am 26. April 1945 war der Durchmarsch von zirka 35.000 KZ-Häftlingen, die durch die Auflösung des Lagers Dachau auf dem Wege nach Bad Tölz der Einwohnerschaft von Percha ein Bild des Grauens und Entsetzens boten.

Kurz vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen am 30. April 1945 wurden von einem SS-Kommando die beiden Würmbrücken gesprengt. Außer der Verwüstung der beiden Brücken erlitt der Ort während der Kriegsjahre keinerlei Schäden an Gebäuden. Nachdem in den Kriegsjahren das Kloster als Reservelazarett der Wehrmacht diente, wurde es nach dem Krieg von den Amerikanern als medizinische Fakultät genutzt.

Eine öffentliche Volksschule in Percha wird erst im Jahre 1947 im Gemeindehaus eingerichtet. Vorher mussten die Perchaer in Starnberg zur Schule gehen.

Es begann nun eine Bauepoche, die nach und nach durch den Verkauf von Baugrund der Landwirtschaft fast den ganzen Boden entzog, so dass die bäuerlichen Betriebe allmählich der neuzeitlichen Entwicklung zum Opfer fielen.

In diese Zeit fällt die Gemeindeumbildung, bei der am 1. Februar 1952 das Dorf Wangen mit dem Weiler Oberdill aus der politischen Gemeinde Percha-Wangen herausgelöst wurde. Die Gemarkung Percha umfasste nun noch 594 Hektar mit 1.104 Einwohnern einschließlich Buchhof, Heimatshausen und Selcha.

Das Kloster richtet 1955 ein Altenheim ein. Zu dieser Zeit waren 33 Schwestern hier tätig. Am
16. November 1958 konnte durch den Erzbischof von München und Freising, Josef Kardinal Wendel die neue Pfarrkirche St. Christophorus eingeweiht werden, und am 1. Juli 1960 wurde Percha zur Pfarrei erhoben.

Die Gründung des Sportvereins Percha fand am 5. Januar 1960 statt. Gespielt wurde auf dem Sportplatz am Buchhof.

Am 8. Mai 1964 konnte nach zweijähriger Bauzeit das neue Schulgebäude ein- geweiht werden. In den Jahren 1965 und 1966 wurde die Autobahn durch Percha gebaut. Mit dieser Baumaßnahme wurde der Ort durchschnitten, den Fahrbahndamm mit bis zu sechs Metern Höhe kann man heute noch als „Zierde“ von Percha betrachten.

Die neuerstellte Turnhalle mit Mehrzweckräumen wurde am 16. November 1973 ihrer Bestimmung übergeben. Damit erhielten alle Vereine in Percha optimale Bedingungen für ihren Sport. Das Sportgelände am Moos wurde 1977 nach sieben Jahren Bauzeit fertiggestellt.

Im Zuge der allgemeinen Gebietsreform wurde auch die Selbstständigkeit der Gemeinde Percha aufgehoben und seine Verwaltung am 1. Mai 1978 von der Stadt Starnberg übernommen. Percha hatte zu dieser Zeit zirka 1.800 Einwohner.

Betrachtet man die Geschichte des Ortes Percha rückblickend, so heißt das:

1018 Jahre Grundherrschaft, meist unter dem Kloster Schäftlarn,
175 Jahre frei ohne Grundherrschaft,

26 Jahre Selbstbestimmung in einer eigenen Gemeinde

und nun Stadtteil von Starnberg.

Die Häuser des Altenheimes St. Josef der Ursberger Schwestern bedurften einer grundlegenden Sanierung. Nach dreijähriger Bauzeit konnte am 1. Juli 1988 unter einem neuen Träger das Malteser-Altenheim
St. Josef bezogen werden. Nach über 90 Jahren segenreichen Wirkens in unserem Ort wurde das Kapitel der Klosterschwestern in Percha beendet; die letzten kehrten in ihr Mutterhaus nach Ursberg zurück.

Trotz vieler Probleme in unserer Zeit, dass unser Ort mit einer Autobahn zerteilt wurde, dass wir auf Grund unseres Wachstums an Überfremdung leiden, dass wir fast jeden Tag im Autoverkehr zu ersticken drohen, das alles sind Dinge, die uns dennoch nicht abgehalten haben, dass wir unsere Heimat, unser Dorf liebgewonnen haben. Die Lage am See, das Panorama der Berge, die stimmungsvollen Föhntage, rundum Natur zum Greifen nahe, das ist es doch, was viele von uns an diesen Ort bindet. Auch das Dorfleben, das unter der Bevölkerungsexplosion der letzten Jahrzehnte stark gelitten haben mag, wurde aufrechterhalten, und wir sehen an unseren Vereinen, am Feiern von Festen, dass ein Zusammengehörigkeitsgefühl besteht.